Wolfgang Brückner, Managing Director First Climate Projektentwicklung GmbH, blickt auf Schlüsselthemen, Herausforderungen und Erwartungen an den bevorstehenden Klimagipfel
In wenigen Wochen richten sich wieder alle Augen auf die globalen Klimaverhandlungen der mittlerweile 198 Vertragsstaaten im Rahmen der COP29, welche dieses Jahr vom 11. bis 22. November in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku stattfindet. Die Erwartungen an die UN-Weltklimakonferenz sind hoch – die negativen Folgen des Klimawandels überschlagen sich und zur Erreichung der ambitionierten globalen Klimaziele bedarf es konkreter Ergebnisse und Lösungen.
Bei First Climate erhoffen wir uns deshalb von dem bevorstehenden Klimagipfel, dass sowohl Regierungen, Privatsektor und Zivilgesellschaft geschlossen verbindliche Entscheidungen treffen, die die Klimaschutz-Maßnahmen auf globaler Ebene vorantreiben. Die Zeit der Absichtserklärungen ist vorbei – die COP29 muss jetzt konkrete Beschlüsse liefern.
Welche Kernthemen aus First Climate-Sicht im Mittelpunkt des Klimagipfels stehen sollten, erfahren Sie hier.
Umsetzung des Artikel 6 und die Skalierung der CO2-Märkte
Die freiwilligen Kohlenstoffmärkte bieten großes Potenzial für die weltweite Reduzierung von Emissionen – sie sind nach wie vor eines der wenigen bestehenden Instrumente zur Erreichung eines skalierbaren Klimanutzens. Die öffentliche Diskussion über Integrität und Qualität der Märkte der jüngeren Vergangenheit haben einen Reformprozess angestoßen, an dessen Ende wir eine verbesserte Transparenz und Qualität des Gesamtmarktes erwarten. Gefordert ist nun mehr Tempo!
Im Fokus der diesjährigen COP steht für First Climate allerdings die Festlegung eines formellen und anerkannten methodischen Rahmens mit klareren, umsetzbaren Vorschriften und Standards für Klimaschutzprojekte und -programme gemäß Artikel 6 des Pariser Abkommens. Besonders in Anbetracht der Tatsache, dass die Gespräche über die Umsetzung der in Artikel 6.2 bzw. Artikel 6.4 enthaltenen Impulse im Jahr 2023 ohne Konsens endeten, stehen nun konkrete Inhalte zur Abstimmung, die bislang nicht umsetzbar waren. Ganz entscheidend dabei: Die Implementierung eines zentralisierten multilateralen Markts gemäß Artikel 6 als Basis für robuste, hoch-qualitative und transparente Kohlenstoffmärkte.
„Finanz“-COP: Klimafinanzierung und Erweiterung des Loss and Damage-Fonds im Fokus
Öffentlich ist im Rahmen der diesjährigen Konferenz derzeit häufig von einer „finance COP“, also „Finanz-COP“ die Rede. Die Schließung der Finanzierungslücke bei der Klimaanpassung wird zweifelsohne ein Kernthema in Baku sein.
Die Entscheidung des globalen Nordens für die Einrichtung eines monetären Mechanismus zur Bewältigung von Verlusten und Schäden als Folgen des Klimawandels im Jahr 2022 war wichtig und richtig. Da die Vereinbarung, dass die Industriestaaten jährlich 100 Milliarden US-Dollar für vulnerable Länder mobilisieren, jedoch 2025 ausläuft, und es bis heute keine Einigung darüber gibt, wie stark betroffene Länder Zugang zu den dringend benötigten finanziellen Mitteln erhalten sollen, muss bei der Klimakonferenz über neue Finanzierungsziele gesprochen werden. Es bedarf dabei der Festlegung zielgerichteter Schritte, um eine faire Handhabung und schnelle Umsetzung des Fonds zu gewährleisten. Dabei ist es besonders wichtig, dass der Privatsektor einbezogen wird, denn das Einfließen privater Finanzmittel trägt entscheidend zur Skalierung des Fonds bei.
Neue nationale Klimaschutzpläne ab 2025
Darüber hinaus muss geklärt werden, wie die Vertragsstaaten ihre Zusagen im Rahmen der national festgelegten Beiträge (engl. Nationally Determined Contributions, NDCs) konkret erfüllen wollen. Schließlich sind die überarbeiteten NDCs bereits im Februar 2025 fällig. Damit die teilnehmenden Länder im nächsten Jahr neue ehrgeizige Klimapläne vorlegen können, muss auf der COP29 jedoch zunächst geklärt werden, welche Finanzmittel ihnen dafür zur Verfügung stehen werden.
Es ist folglich zu erwarten, dass sich ein Großteil der Debatte darum drehen wird, die finanziellen Zusagen der Staaten im Rahmen des sogenannten „Neuen Kollektiven Quantifizierten Ziels“ (engl. New Collective Quantified Goal, NCQG) zur Unterstützung vulnerabler Länder bei der Klimaanpassung zu erhöhen. Nur so kann Entwicklungs- und Schwellenländern im Schadensfall, z.B. bei verheerenden Überflutungen oder Dürren, effektiv geholfen werden.
Mehr Anreize für die Dekarbonisierung der Unternehmen schaffen
Der Privatsektor spielt beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft eine Schlüsselrolle. Freiwillige Marktakteure, die im Bereich der Dekarbonisierung vorangehen, können eine wichtige Vorbildunktion für andere Unternehmen einnehmen und so zur Skalierung ambitionierter, globaler Klimaschutz-Maßnahmen beitragen. Für eine erfolgreiche Dekarbonisierung der Wirtschaft bedarf es aber nicht nur Umstellungen seitens des Privatsektors, sondern auch entsprechender staatlicher Anreizstrukturen, um das Engagement auf Unternehmensseite zu unterstützen.
Wir hoffen deshalb, dass die COP29 dazu beitragen wird, auch in diesem Bereich für langfristige Klarheit zu sorgen. Insbesondere bei der CO2-Bepreisung brauchen wir Marktmechanismen, die die tatsächlichen Kosten von CO2-Emissionen realistisch widerspiegeln. Derzeit ist es für Unternehmen nämlich oft günstiger, Energiequellen sowie Produktions- und Transportmethoden zu nutzen, die hohe Emissionen verursachen. Die CO2-Bepreisung, z.B. in Form des Emissionshandels oder der CO2-Steuer, wirkt dem entgegen, indem sie einen Preis für die verursachten Emissionen festlegt. Solche Modelle erhöhen die Anreize für Unternehmen, in erneuerbare und effizientere Technologien zu investieren.
Die COP29 bietet die Gelegenheit, die Dekarbonisierung in Unternehmen stärker als zentrale Säule weltweiter Klimaschutzmaßnahmen zu etablieren. Richtungweisende klimapolitische Regularien, Rahmenwerke und Richtlinien, beispielsweise gemäß CDP oder der CSRD, sind dabei essenziell, um Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Klimastrategien und Klimaziele (Science-based Targets) so anzupassen, dass sie mit dem Wandel hin zur Umstellung auf erneuerbare Energien und nachhaltigere Betriebsabläufe vereinbar sind.
Überblick: Was steht auf der Agenda?
Auf der COP29 wird es Thementage geben, die die Auswirkungen des Klimawandels auf unterschiedliche Sektoren und die damit verbundenen spezifischen Herausforderungen beleuchten. Hier ein Überblick über die aus unserer Sicht wichtigsten Thementage:
14. November: Finanzierung, Investitionen und Handel: Welche Rolle nachhaltigen Finanzierungen bei der Skalierung von Klimaschutzlösungen zukommt
15. November: Energie/Frieden, Hilfe und Wiederaufbau: Wie erneuerbare Energien zu Frieden und Resilienz in Konfliktgebieten und in von Umweltkatastrophen betroffenen Regionen beitragen können
16. November: Wissenschaft, Technologie und Innovation/Digitalisierung: Wie technologische Innovation den Klimaschutz weltweit voranbringen kann
18. November: Menschliche Entwicklung/Kinder und Jugendliche/Gesundheit/Bildung: Ein Ausblick auf die Einflüsse des Klimawandels auf kommende Generationen, Gesundheit und Bildung
19. November: Nahrung, Wasser und Landwirtschaft: So dringend ist der Bedarf nach klimagerechten Ernährungssystemen und nachhaltigem Wassermanagement
21. November: Indigene Völker/Gleichstellung der Geschlechter/Natur und biologische Vielfalt/Ozeane und Küstengebiete: Die Bedeutung indigenen Wissens und des Schutzes der Artenvielfalt bei der Bekämpfung des Klimawandels
Unsere Vision für die COP29
Zusammengefasst erwarten wir bei First Climate von den diesjährigen Verhandlungen:
Klarere Rahmenwerke und Vorschriften zur Skalierung der globalen Kohlenstoffmärkte
Konkrete Verpflichtungen und Mechanismen zur Finanzierung von „Loss and Damage“, insbesondere für vulnerable Länder
Stärkere Anreize und Förderung für die Dekarbonisierung der Wirtschaft
Feststeht: Die in Baku getroffenen Entscheidungen werden die Zukunft des globalen Klimaschutzes prägen. Es ist daher dringend notwendig, dass auf der COP29 echte Fortschritte erzielt werden.
First Climate in Baku
Wolfgang Brückner, Managing Director First Climate Projektentwicklung GmbH, und Yves Keller, Head of Community-Based and Article 6 Projects bei First Climate, werden die Geschehnisse und Entscheidungen im Rahmen der COP29 vor Ort für First Climate verfolgen.
Treffen Sie Wolfgang und Yves in Baku! Unsere Experten würden sich über einen persönlichen Austausch vor Ort sehr freuen. Vereinbaren Sie gerne noch heute einen Gesprächstermin!
Über den Autor
Wolfgang Brückner ist Geschäftsführer der First Climate Solutions GmbH und der First Climate Projektentwicklung GmbH. Er leitet ein globales Team, das die Entwicklung innovativer Klimaschutzprojekte innerhalb der First Climate Gruppe verantwortet. Seine Tätigkeiten erstrecken sich über sechs Kontinente, wobei der Schwerpunkt seiner Arbeit auf hochqualitativen Early-Stage-Klimaschutzprojekten liegt. Dazu zählen etwa CO2-Senkenprojekte, Projekte im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft oder Projekte zur Vermeidung von Methan und Lachgas.
Mit seinem umfangreichen Hintergrund im Bereich International Affairs und Economics bringt Wolfgang umfassendes Fachwissen entlang aller Phasen der Projektentwicklung mit. Bevor er bei First Climate einstieg, war er Mitbegründer der everi GmbH im Jahr 2020 mit dem Ziel, nachhaltige Lösungen weltweit voranzutreiben.